Borges glaubte nicht an ein Weiterleben nach dem Tod. Allerdings an eine, wie er es nannte, kosmische Unsterblichkeit. Von allem was man getan, gesagt und auch geschrieben hat, wird etwas bleiben, und sei es nur eine vage Erinnerung. Hatte ein Mensch vor tausenden von Jahren das tosende Meer bestaunt und stehe ich heute genauso staunend davor, dann bin ich auch jener schon längst vergessene Mensch, da in mir ein Gefühl wohnt, das einst auch ihn erfüllte. Wenn ich Shakespeare lese, dann bin ich Shakespeare, weil seine Worte durch mich hindurchgehen. Lese ich Goethe, bin ich Goethe usw.
Diese Unendlichkeit birgt keinen Trost für den, der sich eine individuelle Unsterblichkeit ersehnt. Nicht jeder denkt wie der Argentinier, der den Gedanken grauenhaft fand, für immer Borges zu sein. Vielleicht hat er in dem Moment seines Todes auch anders empfunden und sich gewünscht, doch noch weiter Borges sein zu können. Das eigene Sein in ein philosophisches Konzept fortdauernder Existenz, sei es auch noch so diffus, einzubetten, ist vielleicht doch nur eine metaphysische Krücke, die dazu dienen soll, das Unbehagen vor der Ewigkeit einerseits und der Endlichkeit anderseits zu überwinden. Gleiches gilt für die Religion. Den Toten sind alle diese Dinge natürlich egal.