Moderne

Die Quintessenz aus Peter Sloterdijks Abhandlung über den Monotheismus (Im Schatten des Sinai, Suhrkamp) lautet:

„Nur eine Moderne, die auch ihre Verweigerer alimentiert, ist auch auf der Höhe ihrer selbst.“

Die Frage, die sich angesichts dieses Resümees stellt ist, wieviel Widerspruch erträgt eine moderne Gesellschaft, ohne ihre Prinzipien preiszugeben. Wie reagiert sie, wenn die Verweigerung von der Überzeugung getragen wird, es sei genau diese Modernität, die es abzuschaffen gilt? Heißt auf der Höhe seiner selbst zu sein, der eigenen Demontage tatenlos zuzusehen? Oder ist diese Moderne, die sich in einer Gesellschaft ausdrückt, welche sich dem Recht auf individuelle Selbstbestimmung verschrieben hat, nur eine Utopie, die zum Scheitern verurteilt ist, weil sie nicht bedacht hat, dass mit jeder Verteidigung immer eine gewisse Totalität einhergeht?

Was tun die Vernünftigen, wenn nicht alle zur Vernunft kommen? Ankämpfen gegen das vermeintlich Unvernünftige? Oder anerkennen, dass auch die Vernunft nur relativ ist und in einer vernünftigen Welt, die Unvernunft ebenfalls ihren Platz hat?

Die Ironie an der Geschichte: Die Evolution, das Flaggschiff der Aufklärung und Inbegriff moderner Weltsicht, gibt wenig Grund zur Hoffnung. Eingezirkeltes Denken und metaphysische Sehnsucht sind zu tief eingegraben in die psychosoziale Konstitution des Menschen, als dass auf absehbare Zeit zu erwarten wäre, er könne sich von diesen Fesseln lösen und sich ein Lebenskonzept aneignen, das auf eine globale Kultur hinausläuft.

Und selbst wenn sich der Mensch ins Universum ausdehnen würde, dort auf andere Lebensformen träfe und auf Grund dieser Begegnung eventuell zusammenwüchse, verschöbe sich die Problematik nur auf ein höheres Niveau.

Am Ende dieses Gedankens sehe ich nur die Möglichkeit, dem Philosophen zu widersprechen. Auf der Höhe seiner selbst ist nur das totalitäre System, das seine Verweigerer eliminiert. Die Moderne dagegen ist ein fragiles Konstrukt, dessen Lebenszeit zwangläufig begrenzt ist. Sie wird sich an ihren inneren wie äußeren Widerständen verzehren, da  das Alimentieren ihrer Verweigerer sie von Innen heraus langsam zersetzt. Stellt sie dagegen diese Alimentation ein, bedeutet das automatisch, sich selbst aufzugeben.

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