Wen wählen? Teil 5

Der Tlönfahrer muss sich entscheiden. Und zwar bald.

 

20. Februar 2016 – noch 22 Tage bis zur Wahl

Der Wahl–O-Mat für Rheinland-Pfalz ist online. Man könnte es sich leicht machen und einfach das wählen, was der Automat ausspuckt, anstatt weiter mühsam Wahlprogramme zu lesen.
Aber leicht machen es sich im Moment zu viele, indem sie auf plumpe Parolen, Halbwahrheiten und populistische Angstmacherei hereinfallen und denken, Deutschland bräuchte wieder eine starke Hand und geschlossene Grenzen.

Die Ereignisse vorgestern in Clausnitz machen deutlich, Demokratie ist immer gefährdet, ist immer schwach und muss immer wieder verteidigt werden, weil in einer Demokratie auch diejenigen zu Wort kommen, die sie eigentlich ablehnen. Diese Stimmen gilt es zu widerlegen und zu übertönen. Das geht natürlich nicht von der Couch aus und auch ein billiger Blog-Eintrag wie dieser hilft nur wenig. Aber das mindeste was man tun kann, ist wählen zu gehen und sich darüber Gedanken zu machen, wem man seine Stimme gibt. Jeder muss sich darüber im Klaren sein, dass nicht zu wählen in der momentanen Situation bedeutet, die rechten Parteien zu stärken. Denn diese schaffen es, ihre Wähler zu mobilisieren. Wenn nur zehn Prozent die AfD wählen, ist das zunächst nicht viel. Haben aber die anderen Parteien wie CDU, SPD etc. auch nicht mehr als zwischen zwanzig oder dreißig Prozent, weil die größte Fraktion die der Nichtwähler ist, sind zehn Prozent auf einmal eine ganze Menge.

Wie ich schon schrieb: Man kann diese rechten Parteien nicht einfach verbieten – denn auch das gehört zur Demokratie, dass ein solcher Prozess sehr schwierig ist. Aber man kann sie marginalisieren, indem man die demokratischen Kräfte stärkt.

 

Zurück zum Wahlkampf in Rheinland-Pfalz.

Eine Geschmacklosigkeit der besonders widerlichen Art, leistete sich der Koblenzer Lokalpolitiker Daniel Wilms (CDU), als er sich über Malu Dreyers Behinderung lustig machte.

 

Umgekehrt geht es natürlich auch. Hier ein Tweet eines SPD-Mannes aus Trier.
Twitter CDU
An welche Assoziationen Schölch-Mundorf dachte, spiegelte sich in vielen Kommentaren.
Natürlich ist das sexistisch. Auf der anderen Seite ist die CDU eine Volkspartei und sollte ihr Volk eigentlich kennen.

 

Da finde ich dieses Plakat viel diskussionswürdiger. Nun, es liegt im Wesen eines Plakates plakativ zu sein. Hier wird jedoch suggeriert – ganz abgesehen vom deutlichen Versuch am rechten Rand zu fischen – die Flüchtlingskrise sei vor allem ein administratives Problem und es bräuchte nur ein Aschenputtel, welches die Guten ins Töpfchen und die Schlechten ins Kröpfchen sortiert. Wenn es doch nur so einfach wäre…

 

Spaß macht mir die FDP mit ihren Plakaten.
FDP
Hier sieht man, wie eine Partei versucht, sich neu zu erfinden oder zumindest diesen Eindruck zu vermitteln. Ob da wirklich etwas Neues in der Politik der FDP enthalten ist, werde ich noch sehen. Mir würde ja die Rückkehr zu den liberalen Prinzipien, für die FDP einstmals stand schon reichen.

 

Die neusten Umfragewerte (Infratest dimap 11.02.2016)
CDU 37%, SPD 31%, Grüne 8%, FDP 6%, Linke 4%, AfD 9%, Sonstige 5 %.
Das riecht nach einem Regierungswechsel.

 

Heute schaue ich kurz auf die ödp (die Kleinschreibung haben sie sich auf Anraten einer Werbeagentur selbst verordnet), auf die Freien Wähler und die Piratenpartei.

Die ödp ist aus einem Schisma in der grünen Bewegung Anfang der achtziger Jahre entstanden. Wenn Die Grünen die Katholiken unter den Umweltbewegungen sind, dann ist die ödp deren orthodoxe Kirche.

Schaut man sich das Wahlprogramm der ödp an, findet man viele Vorschläge und Ziele, denen man sich sofort anschließen kann. Niemand möchte die Zerstörung der Natur, sinnlose Großprojekte(deren direkte Nutznießer einmal ausgenommen), eine dezimierte Landbevölkerung ohne ausreichende ärztliche Versorgung, schlechte Bildung und eine unterbesetzte Justiz und Polizei.

Die Frage ist aber, wie man diese Probleme lösen will? Neben den systemischen Veränderungen, die erfahrungsgemäß eine lange Zeit brauchen, bevor sie wirklich implementiert sind und Wirkung zeigen, muss man eine Menge Geld in die Hand nehmen.

Da macht die ödp aber nicht mit. Sie hat auch etwas von der schwäbischen Hausfrau – diesem Ungeist in der deutschen Politik der letzten Jahre.

Dem Programm der ödp fehlt es meiner Meinung nach an Visionen. Es ist ein ökologischer Konservatismus, der dem Traum anhängt, man könne das Rad der Zeit wenn nicht zurückdrehen, dann doch wenigstens irgendwie anhalten. Was unser Land aber braucht, ist eine ökologische Politik, die sich den ökonomischen, gesellschaftlichen und technischen Veränderungen nicht verschließt, sondern versucht, die positiven Auswirkungen dieser Entwicklungen zu verstärken und die Kräfte, die darin schlummern zu nutzen, um die Probleme unserer Zeit zu lösen.

Aber das ist natürlich auch eine Utopie.

 

Die Freien Wähler möchten vieles von dem, was die ödp auch möchte. Von manchem allerdings genau das Gegenteil. So ist die ödp gegen einen Mittelrhein-Übergang, die Freien Wähler setzten sich dafür ein. Den einen geht es um Weltkulturerbe und Naturschutz, den anderen um die Verbesserung der Infrastruktur. Während der Hochmosel-Übergang im ökologischen wie ökonomischem Sinne sehr fragwürdig ist, würde eine Rheinbrücke, irgendwo zwischen Bingen und Koblenz, der Bevölkerung und auch der Wirtschaft große Vorteile bringen. Die ökologischen Auswirkungen sind da eher ästhetischer Art.

Überhaupt liegen der Erhalt und der Ausbau der Infrastruktur den Freien Wählern sehr am Herzen.

Worin sich Freie Wähler und die ödp ebenfalls einig sind, betrifft die Themen Fünf-Prozent-Hürde und Volksentscheide. Beide Parteien wollen Bürgerentscheide erleichtern und die Fünf-Prozent-Hürde bei Landtagswahlen abschaffen. Letzteres wollen übrigens alle kleinen Parteien. Durch den Wegfall dieser Klausel bei den Kommunalwahlen, haben viele von Ihnen Mandatsträger auf kommunaler Ebene. Wie auch die NPD oder die Republikaner.

Würde die Fünf-Prozent Regelung auf Landesebene abgeschafft, ergäben sich in den Landtagen immer öfter Pattsituationen die entweder zu andauernden Neuwahlen oder – was wahrscheinlicher ist – zu der Etablierung großer Koalitionen auch auf Landesebene führten, was einer politischen Monokultur gleichkäme. Deren negativen Auswirkungen spüren wir in der Bundespolitik, wo sich das Fehlen einer ECHTEN Opposition immer stärker bemerkbar macht.

Was die Volksentscheide angeht, so wäre ich sofort dafür, lebten wir in einer politisch aktiven und lebendigen Gesellschaft. Dem ist aber nicht so. Erfahrungsgemäß ist bei Volksentscheiden die Beteiligung noch geringer, als bei herkömmlichen Wahlen. Verständlich, gibt es doch neben einem Dafür und einem Dagegen auch ein Ist-mir-egal. Das wird dann durch Nichtabstimmen zum Ausdruck gebracht, worauf man das Feld den direkt Beteiligten und den Engagierten überlässt.
Mehr noch als eine herkömmliche Wahl, erfordert eine Volksabstimmung von jedem Bürger, sich intensiv mit dem Gegenstand, über den entschieden wird, zu beschäftigen und Stellung zu beziehen. Eine solche Befragung hat eine unmittelbare Auswirkung, weil sie sich auf ein konkretes Vorhaben bezieht. Da gibt es kein politisches Lavieren mehr und auch nur noch wenig Spielraum für Kompromisse.

Ich halte die deutsche Gesellschaft in politischer Hinsicht noch lange nicht für reif genug, um auf solch direkte Weise in die Gestaltung unseres Landes einzugreifen. Da ist mir der behäbige, schwierige und natürlich auch sehr fehlerhafte Prozess der parlamentarischen Entscheidungsfindung derzeit noch lieber.

 

Kommen wir noch zu der Piratenpartei.

Um es kurz zu machen: Auch die Piraten wollen die Fünf-Prozent-Hürde kippen und Volksabstimmungen erleichtern. Überhaupt ist ihr ganzes Wahlprogramm von dem Gedanken getragen, den Bürger mehr ins politische Geschehen einzubinden, indem es transparenter und nachvollziehbarer gestaltet wird. Das autarke Agieren gewisser Institutionen, wie zum Beispiel dem Verfassungsschutz, ist zu unterbinden. Justiz und Polizei sind stärker zu kontrollieren und ihre Befugnisse sollen beschnitten werden.

In ihrem Wahlprogramm geben sich die Piraten als klassische Oppositionspartei, die es darauf abgesehen hat, den Bürger vor dem Staat zu schützen. Gleichzeitig aber skizzieren sie auch die Umrisse für eine Politik, vor der die Menschen nicht mehr geschützt werden müssten. Wiederum eine Utopie, aber eine, über die es sich nachzudenken lohnt. Natürlich würde auch diese Ideologie den üblichen Verwässerungsprozess durchmachen, der mit der Zunahme an politischer Macht einhergeht.

Aber im Gegensatz zur ödp, haben die Piraten eine vorwärts gerichtete, moderne Sichtweise.

Pluspunkte bekommen sie von mir auch für diese drei Vorhaben:

1.

Die Länder zahlen jährlich ca. 400-500 Millionen Euro an die Kirchen. In Rheinland-Pfalz wurden dafür im Landeshaushalt 2013 etwa 53 Millionen Euro veranschlagt. Viele Kommunen in Rheinland-Pfalz müssen darüber hinaus aufgrund jahrhundertealter Verträge eigene Zahlungen an Kirchengemeinden leisten. Wir möchten diese Zahlungsverpflichtungen von Land und Kommunen gesetzlich beenden.

2.

Beschäftigte bei Religionsgemeinschaften müssen als Arbeitnehmer die gleichen Rechte haben wie Beschäftigte in nichtreligiösen Unternehmen bzw. Organisationen. Auch bis zur vollständigen Entflechtung von Kirche und Staat darf es nicht hingenommen werden, dass in Organisationen, die öffentliche Gelder erhalten, Menschen wegen ihrer Religionszugehörigkeit, ihrer persönlichen Meinung oder ihrem privaten Lebenswandel benachteiligt werden.

3.

Alle religiösen Symbole werden aus staatlichen Institutionen entfernt. Architektur und Gestaltung eines Gebäudes lassen auf den Charakter der Verwendung dieses Gebäudes schließen. Davon unberührt bleiben religiöse Symbole, die Angestellte z. B. als Kleidung oder Schmuck tragen (Kreuze als Anhänger, Kopftuch). Eigene Überzeugungen auf diese Art zum Ausdruck zu bringen liegt in der freien Entscheidung jedes einzelnen Menschen.

 

Mit ziemlicher Sicherheit werde ich die ödp nicht wählen. Die Freien Wähler dagegen und die Piraten sind nach wie vor im Rennen.

 

Und was den Wahl-O-Mat angeht, so habe ich mich durch alle Aussagen geklickt und bin dabei zu einem Ergebnis gekommen, das mich nicht wirklich überrascht hat. Wie es aussah, verrate ich aber (noch) nicht.

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