Wen wählen? Teil 7

Die Briefwahlunterlagen sind schon da. Fehlen nur noch die zwei Kreuze.

 

06.03.2016 – noch 6 Tage bis zur Wahl

 

Die Causa Beck hat in den letzten Tagen viele Gemüter bewegt und manche sogar richtig in Wallung gebracht. Vor allem bei den Grünen, fürchten sie doch, der Vorfall könne sich negativ auf die Wahlen am nächsten Wochenende auswirken. Allem voran der grüne Betbruder aus Stuttgart. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass das grüne Führungspersonal es liebt, sich als MoralapostelInnen aufzuspielen, er wurde mit den Reaktionen auf den mutmaßlichen Drogenfund bei Volker Beck erbracht.

 

Dabei sollten sich die Baden-Württemberger, vor allem die SPD, lieber um etwas anderes Gedanken machen. Die ARD-Vorwahlumfrage sieht die AfD auf gleicher Höhe mit der SPD, beide bei dreizehn Prozent. In Sachsen-Anhalt sind die Werte für die AfD sogar besser als für die SPD, aber das überrascht nicht wirklich.

Die FGW (Forschungsgruppe Wahlen) hat in Baden-Württemberg für die SPD noch einen Vorsprung von zwei Prozent gegenüber der AfD ermittelt.

Die schlechten Werte der SPD verwundern mich nicht, treibt doch Sigmar Gabriel im Moment die Leute mit seinen Forderungen geradewegs in die Arme der Populisten, weil diese sich in ihrer Annahme bestätigt sehen, die Ausgaben für die Flüchtlinge gingen vor allem auf Kosten der sozial Schwächeren.

 

Für Rheinland-Pfalz sagt die FGW folgendes voraus:

CDU 35%, SPD 34%, Grüne 6%, FDP 6%, Linke 4%, AfD 10%.

Es bleibt spannend, weil der Wahlausgang von mehreren Faktoren abhängt und nur kleine Verschiebungen in den obigen Zahlen ganz unterschiedliche Ergebnisse bewirken können.

 

In Teil 6 erwähnte ich bereits die Fernsehdiskussion zwischen Malu Dreyer und ihrer Herausforderin von der CDU, Julia Klöckner. Eine Verliererin gab es in diesem Aufeinandertreffen nicht, Gewinner war der Zuschauer, handelte es sich doch um eine respektvolle, ruhige Diskussion, die ohne billige Polemik und persönliche Angriffe auskam. (Einzige Ausnahme, als Dreyer zu Klöckner sagte: „Ich frage mich, ob Sie wirklich in Rheinland-Pfalz leben.“) Die Sendung wurde moderiert von Fritz Frey, dessen ruhige Art für keinem Moment herausgefordert wurde, der aber für den einzigen wirklichen Negativaspekt der Sendung sorgte. Mehr dazu später.

Erstes und fast die Hälfte der Sendezeit beanspruchendes Thema war die Flüchtlingskrise und hier musste Julia Klöckner zunächst ein bisschen einstecken, hatte sie in ihrem Buch doch Kontingente als inhuman abgelehnt, wenig später aber genau diese mit ihrem Plan A2 gefordert. Zwar stellte sie das richtig, aber ihr Zögern bevor sie antwortete, war auffallend.

Und dann wäre Frau Klöckner auch noch fast in die Röttgenfalle getappt. Als sie von Frey damit konfrontiert wurde, dass 51 Prozent der CDU-Wähler in RLP mit der Flüchtlingspolitik der rot-grünen Landesregierung zufrieden seien, entgegnete sie, die Flüchtlingskrise sei ein sehr komplexes Thema und man könne nicht erwarten, dass die Bürger jedes Thema auf dem Schirm hätten. Eine galante Art, den eigenen Wählern Ahnungslosigkeit zu unterstellen.

Auch Malu Dreyer kam gleich am Anfang etwas ins Schwimmen, als Frey meinte, aus Berlin bekäme sie im Moment nicht unbedingt Rückenwind. Das erste Mal ignorierte Frau Dreyer die Frage, doch Frey hakte nach. Die Ministerpräsidentin zog sich letztlich recht gut aus der Affäre. Später wurde sie, was Sigmar Gabriel betrifft, doch noch überraschend konkret.

Sehr interessant war es, die verschiedenen Standpunkte in Sachen Integration anzuhören. Während Klöckner eine gesetzlich verankerte Integrationspflicht einführen möchte und es z.B. nicht zulassen würde, dass muslimische Schülerin mit Burka am Sport- bzw. Schwimmunterricht teilnehmen, argumentierte Dreyer, solche Verbote führten nur dazu, dass die Mädchen dadurch vom Unterricht ausgeschlossen würden, was eine Ausgrenzung bedeutete.

Während Klöckner ganz realistisch denkt und sagt, in einer gleichberechtigten Gesellschaft darf es eine solche Degradierung des weiblichen Geschlechts nicht geben, vertritt Dreyer einen pragmatischen Standpunkt, der eine Ungleichbehandlung der Frauen ihrem völligen Ausschluss aus dem gesellschaftlichen Leben vorzieht.

Man kann beiden Frauen in ihren Argumentationen zustimmen, was zeigt, wie komplex die Problematik wirklich ist. Da ich Verbote immer als das letzte aller politischen Mittel erachte, tendiere ich eher zu Frau Dreyers Ansicht. Mit Vorbehalten allerdings.

 

Dann folgte das Thema AfD. Malu Dreyer verteidigte nochmals ihre Entscheidung, nicht mit Vertretern der AfD im Fernsehen zu diskutieren. Julia Klöckner sieht die größere Gefahr im Ignorieren und will sich dem Gegner stellen. Einig waren die beiden sich darin, welche Gefahr von der AfD für die Demokratie ausgeht.

Als Frey bemerkte, Sigmar Gabriel wolle die AfD vom Verfassungsschutz beobachten lassen, distanzierte Dreyer sich von diesem Vorhaben. Eine solche Entscheidung dürfe nie von der Politik angestoßen werden, sondern müsse der Verfassungsschutz alleine treffen. Spätestens hier merkte man, Sigmar Gabriel und Malu Dreyer sind keine besonders dicken Freunde.

 

Bei den Themen Wirtschaft, Infrastruktur und Bildung verflachte die Diskussion dann ein wenig, weil Behauptung und Gegenbehauptung sich gleichwertig gegenüberstanden. Hier hätte Fritz Frey der Diskussion nochmal einen besonderen Dreh geben können. Als es um den Ausbau des schnellen Internets ging, sagte Julia Klöckner, man hätte anstatt unsinnig viel Geld in die gescheiterten Projekte Nürburgring und Zweibrücker Flughafen zu stecken, lieber in die digitale Infrastruktur investieren sollen. Dreyer ging natürlich auf die beiden Stichworte nicht ein. Hier hätte Frey nachhaken müssen, kostete doch die Affäre um den Nürburgring dem Steuerzahler eine Unmenge an Geld. Von den kriminellen Machenschaften dahinter ganz abgesehen. Da hat die SPD wirklich Scheiße am Hacken, die sie bis heute nicht vollständig abgewischt hat.

Interessanterweise setzte auch Klöckner nicht nach und so war das Thema, welches für Frau Dreyer an diesem Abend am unangenehmsten hätte werden können, vom Tisch.

Die Abschlussstatements von genau 90 Sekunden fassten das zusammen, was man in der Stunde zuvor schon gesehen und gehört hatte. Wobei Malu Dreyer hier etwas besser abschnitt. Statt wie Klöckner nochmals die Themen Bildung, Infrastruktur, Integration, Sicherheit und Bildung herunterzubeten, versehen mit der unmissverständlichen Botschaft, sie würde das alles besser machen, bemerkte Dreyer zunächst wie schön es sei, dass zwei Frauen das höchste Amt im Lande anstrebten, was zeige, wie modern und aufgeschlossen RLP ist und man hier Gleichberechtigung wirklich lebe. Danach kamen auch noch die einzelnen Themen an die Reihe, die schon Julia Klöckner angesprochen hatte. Aber während die CDU-Frau ihr Statement mit der Aufforderung abschloss, sie und ihre Partei zu wählen, endete Frau Dreyer mit einem allgemeinen Aufruf, zur Wahl zu gehen.

Wie gesagt, inhaltlich ein Unentschieden. Keine der beiden vertrat extreme Ansichten und natürlich lässt sich vortrefflich darüber streiten, ob man nun Familiengeld bezahlt (CDU) oder doch lieber dafür sorgt, dass Kitas und Bildung im Allgemeinen umsonst sein sollen (SPD). Wen es betrifft, der wird sich darüber eine Meinung gebildet haben und das mag nun seine Wahlentscheidung beeinflussen. Ich habe nichts gehört, was mich dazu bringen würde, mich nun für eine der beiden Parteien zu entscheiden. Wobei ich zugeben muss, Malu Dreyer ist mir sympathischer. Mir sagt ihre ruhige, überlegte Art mehr zu als das etwas Oberlehrerhafte von Julia Klöckner.

Wollte ich eine Entscheidung treffen, rein aus dem Eindruck heraus, den diese Diskussion auf mich gemacht hat, dann bekäme die SPD meine Stimme. Nein, Frau Dreyer bekäme meine Stimme, obwohl sie in der SPD ist.

 

Aber noch ist es nicht soweit. Da ist ja noch die FDP.

Die Partei, der es wie keiner zweiten gelang, sich in kürzester Zeit so unbeliebt zu machen, dass sie fast bis zur Bedeutungslosigkeit in sich zusammengesackt ist. Ein Niedergang, den ich sehr bedauert habe, bin ich doch ein großer Freund der liberalen Idee. Die sich freilich in der FDP eines Möllemann, Westerwelle, Brüderle und Rösler nicht mehr wiederfand.

Und heute, gut zweieinhalb Jahre nach dem Wahldebakel von 2013 und dem Verlust sämtlicher Bundestagsmandate?

Auf seine Webseite entwirft Christian Lindner, Bundesvorsitzender der FDP, sein Idee einer liberalen Politik. Von all den Wahl- und Parteiprogrammen, die ich in den letzten Wochen gelesen habe, entspricht dieses „liberale Manifest“ am ehesten dem, was ich von einer vernünftigen Politik erwarte.

Eine freie, offene Gesellschaft. „Angstfreies Andersseindürfen für alle“ zitiert Lindner Odo Marquart. Während die liberale Idee allen das gleiche Maß an Freiheit zuspricht, propagiert sie eine „legitime Ungleichheit“, weil sie einem jeden zubilligt, sich innerhalb seines Freiheitsraumes nach seinen Vorstellungen zu entwickeln. Der Staat ist hier nur gefragt, wenn es darum geht, für Chancengleichheit zu sorgen. Es ist nicht seine Aufgabe, seine Bürger zu zwingen, die ihnen angebotenen Chancen auch wahrzunehmen oder in jeweils gleichem Maße zu nutzen. Um der größtmöglich Zahl seiner Bürger Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten, ist eine gesunde wirtschaftliche Basis unabdingbar. Sie ist aber nicht die Alleinseligmachende Kirche, sondern muss eingebunden sein in ein soziales und ökologisches Denken, um zu verhindern, dass in der Gegenwart immer größere Teile der Bevölkerung von der Teilnahme am Wohlstand ausgeschlossen werden und die Zukunft der kommenden Generationen verspielt wird.

Deswegen auch die Idee eines Bürgergeldes anstelle von Transferleistungen. Im Übrigen vertreten auch die Piraten diese Ansicht.

Auch die liberale Position zu Themen wie Bürgerbeteiligung, Integration, Bildung und Europa erscheine mir schlüssig und ihre Umsetzung würde für unsere Gesellschaft einen Gewinn bedeuten.

Das Wahlprogramm der rheinlandpfälzischen FDP spiegelt Linders liberale Richtungsvorgabe wieder, wobei sie natürlich in der Konkretheit eines Landtagswahlprogramms etwas von ihrem philosophischen Glanz verliert, geht es in der Realpolitik doch immer auch um Kompromisse und Zugeständnisse.

Die FDP hat übrigens auch in Wahlprogramm in leichter Sprache, ebenfalls mit Hilfe des Lebenshilfevereins konzipiert. Meine Vorbehalte dagegen bleiben bestehen, aber ich finde die Version der Liberalen nicht so aufdringlich und manipulativ, wie die der Grünen. Bei der SPD habe ich gleiches gefunden. Dort ist sie aber wesentlich umfangreicher.

 

Und nun Tlönfahrer? Wohin mit deinem Kreuzen?

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