2018/42

 

Wochenkalender:

Und wieder einmal der Versuch, dem Alltag die Zeit abzutrotzen um etwas aufzuschreiben. Für ein Tagebuch reicht es nicht, aber ein Wochenbuch sollte doch möglich sein. Unter Stichworten zusammengefasste Notizen über Erlebtes, Gedachtes und Gelesenes. Ob es gelingt wird man schnell dran erkennen, ob eine lückenlose Fortführung gelingt. Wenn nicht, kommt auch dieses Vorhaben in das schon gut gefüllte Massengrab der guten Vorsätze.

 

Zufälle:

Seit zwei Wochen habe ich eine neue Kollegin, die mit mir das Büro teilt. Wir sind im gleichen Alter und haben recht schnell festgestellt, dass uns das mindestens achtstündige Zusammensein jeden Tag nicht vor größere Probleme stellen wird. In einem der zwanglosen Plaudereien kamen wir auf das Thema Religion und beiläufig erwähnte ich meine Vergangenheit bei den Zeugen Jehovas. Die Reaktion waren zwei aufgerissene Augen und das Bekenntnis ihrerseits, ebenfalls etwa zwanzig Jahre in diesem dubiosen Club verbracht zu haben. Der Rest des Arbeitstages bestand in dem Abgleich von Lebensläufen, wobei ich feststellte, mein Ausstieg war wesentlich einfacher verlaufen als der ihre. Auf dem Heimweg dann – auf seltsame Art berührt von dieser Zufälligkeit und dem unerwarteten Hervorholen sorgsam weggepackter Erinnerungen – war wieder dieser Wunsch präsent, das Erlebte doch irgendwie in eine literarische Form zu bringen. Aber keine Autobiografie. Davon gibt es schon zu viele und außerdem wollen die Leser, es sei denn sie interessieren sich für bewusstseinsmanipulierende Techniken, mit erschütternden Geschichten nicht unter Sklaventum und Kindesmissbrauch beglückt werden. Die habe ich aber nicht zu bieten. Wenn, dann wird es eine Erzählung, die auf der sogenannten Metaebene das wiedergibt, was ich zu sagen habe. Dem am nächsten kommt die Geschichte „Das Brot“. Dass sie zu einer der besten gehört, die ich je geschrieben habe, stimmt mich zuversichtlich.

 

Lektüre:

Peter Sloterdijk- neue Zeilen und Tage (angefangen)

Noch nimmt es mich nicht so gefangen, wie das erste „Zeilen und Tage“. Trotzdem ist es eine weitere Fundgrube an Gedanken, Schlussfolgerungen und Behauptungen, die mich herausfordern. Denn so gerne ich Sloterdijk lese, er bleibt mir auf eine unbestimmbare Art unsympathisch. Ähnlich wie die Stimme im eigenen Kopf.

 

Chantal Mouffe – Für einen linken Populismus (gelesen)

Zuerst dachte ich, die 14 Euro sind es nicht wert. Es wären auch 28 Euro nicht zu viel gewesen. Treffend analysiert sie die Gründe für die Attraktivität des rechten Populismus und versucht dem eine sozialdemokratische Alternative entgegenzusetzen. Was naturgemäß schwierig ist, denn es geht um Affekte. Und diese sind beim Menschen evolutionsbedingt immer eher ausgrenzend und allem Fremden und Neuen gegenüber skeptisch. Ihre Utopie: statt eines Antagonismus Rechts-Links, der letztlich auf die Auslöschung des Kontrahenten abzielt, einen Agonismus kultivieren, eine Rivalität politischer Ideologien, die zwar um gesellschaftliche Hegemonie kämpfen, sich aber gegenseitig nicht ihre Existenzberechtigung absprechen.

 

Wilhelm Heitmeyer – Autoritäre Versuchungen (angefangen)

Heitmeyer ist Gründer des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung und analysiert seit über zwanzig Jahren „Deutsche Zustände“. Schon im Jahre 2001 hat er vor dem Aufkeimen einer rechtspopulistischen Bewegung gewarnt, die seiner Meinung nach in erster Linie auf die Demokratieentleerung durch den globalen Kapitalismus zurückzuführen ist.

 

Fun Fact: Sloterdijk erwähnt Heitmeyer in einem Kommentar über die Reaktionen auf den Massenmord von Breivik in Norwegen, und das klingt nicht gerade positiv. Gunter Hofmann, ehemals Die Zeit, rückt in einem Artikel, der in einer von Heitmeyer herausgegebenen Buchreihe (Deutsche Zustände) erschien, Sloterdijk und in die Nähe von Sarrazin. Ich merke: Mehrere Bücher (und dazu noch verschiedene Artikel und Aufsätze) gleichzeitig zu lesen ist zwar anstrengend, aber ein gutes Remedium gegen den unbewussten Einzug in eine Filterblase.

 

 

FC Bayern:

Die Trumpisierung des Sports. So wie es dem amerikanischen Präsidenten nicht um die Durchsetzung eines politischen Programms im Wettstreit mit konkurrierenden Denkweisen (Stichwort: Agonismus) geht, sondern um das reine Gewinnen durch die Ausschaltung/Diffamierung tatsächlicher oder imaginierter Gegner, so hat sich auch die Führung des FC Bayern von jedwedem sportlichen Gedanken verabschiedet und fordert für sich das Recht ein, von allen als der beste deutsche Fußballverein angesehen zu werden, ungeachtet der tatsächlichen Leistungen. Das despotische Selbstverständnis verbietet sämtliche Kritik und wertet sie als existenzielle Bedrohung, der mit allen rhetorischen Mitteln entgegenzutreten ist. Wann fängt Hoeneß eigentlich an zu twittern?