Die Frechheit

Den Lachsmeier töten wollte ich nicht, auch nicht bedrohen, war doch gar nicht geladen die Pistole, lag aber gut in der Hand und ihre Wirkung tat sie auch, weil der Lachsmeier wurde sofort kreideweiß als ich mit der Waffe in sein Büro kam und freundlich werde ich auch nicht geschaut haben, obwohl ich immer freundlich schaue, fragen Sie meine Kunden, die lassen sich nämlich gerne von mir besuchen, bestellen gerne bei mir, weil ich so ein freundlicher Mensch bin und nicht von der Sorte Verkäufer,  die nur Zahlen im Kopf hat, was einer wie der Lachsmeier allerdings nicht einsieht, in seinem jungen, studierten Bürokratenschädel ausschließlich Tabellen, Summen und Statistiken beherbergt, so dass, wenn er redet, nur diese Tabellen, Summen und Statistiken hervorsprudeln und jeder, der ein bisschen was vom Verkaufen versteht sofort merkt, dieser Mensch versteht überhaupt nichts vom Verkaufen, auch wenn er sich vor einiger Zeit die Verkaufsleitung unter den Nagel gerissen hat, sofort nach seiner Beförderung uns Außendienstler zu einer Tagung in die Zentrale bestellte, um aufzuzeigen, wo es von nun an langgehen sollte, nämlich in Richtung Erfolg und Effizienz, von success guided customer relationship sprach, gekotzt hätte ich am liebsten bei diesem unverständlichen Geschwafel, aber es kam noch schlimmer, denn hatten wir vierzig Jahre nur Kunden gehabt, die entweder kauften oder nicht kauften, wurden wir von Lachsmeier nun aufgeklärt, es gibt nicht den Kunden der kauft oder nicht kauft, es gibt den lead und die opportunity, worauf ich es mir nicht verkneifen konnte zu bemerken, ich hätte keine Kunden, die so hießen, mir die Lacher meiner Kollegen abholte, außer von Lachsmeier natürlich, der mich nur böse anschaute, sogleich ausführlich den Unterschied zwischen lead und opportunity erläuterte, um danach ein neues Programm zu präsentieren, das sich meat-grinder nannte, also Fleischwolf auf Deutsch und damit trotz aller Bedeutungsvielfalt einfach ein Scheißwort, selbst für ein Computerprogramm, in das wir nun alle Kundendaten einzuspeisen hätten, nur damit wir am Ende wüssten, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Kunde kauft – forecast nannte Lachsmeier das – und genau dieser forecast, so Lachsmeier, wäre enorm wichtig, man wolle ja schließlich wissen, ob der Kunde nun zu dreißig, achtzig oder gar zu hundert Prozent kauft, ich daraufhin sagte, alle meine Kunden kaufen zu hundert Prozent oder kaufen zu hundert Prozent nicht, da bräuchte es keinen forecast und keinen meat-grinder, sondern nur einen Verkäufer, der alle sieben Sinne beisammen hat, was Lachsmeier nun wiederum zum Lachen brachte und er nicht an sich halten konnte zu bemerken, ich hätte da wohl einiges nicht verstanden und müsse aufpassen, dass die Zeit mich nicht überhole, überhaupt wäre meine perfomance nicht so berauschend, dass ich es mir erlauben könne, Verbesserungen grundsätzlich abzulehnen, nur weil mir alles Neue Angst mache, Angst aber wäre unser Feind, sagte er, wobei er natürlich nicht sagte, Angst ist unser Feind, sondern fear is the enemy, sogleich aber auf das reporting kam, welches ab sofort täglich mit Hilfe des Fleischwolfes zu erstellen sei, und ich mich unwillkürlich fragte, was wohl die letzten vierzig Jahre so falsch daran gewesen war, einen handgeschrieben Wochenbericht zu verfassen, in den ich meine Umsätze und die gefahrenen Kilometer eintrug, alles von Wichtigkeit eben, von Lachsmeier jetzt aber zur Unwichtigkeit degradiert, indem er sagte, alle persönlichen Vorlieben und liebgewonnenen Gewohnheiten seien nach unten zu priorisieren, mich dabei anstarrte, als sage er all das nur um meinetwillen, als hätte er all diese Lächerlichkeiten, die er von sich gab nur deswegen von sich gegeben, um mir meine Nichtigkeit und seine Wichtigkeit zu verdeutlichen, und ich plötzlich an die Pistole denken musste, die ich von meinem Vater geerbt, aber natürlich nie benutzt hatte, mir vorstellte, wie ich damit zu Lachsmeier ins Büro gehe, nein, nicht um ihn zu bedrohen, die Waffe nur als Metapher für das Wort benutzend, das ja unsere eigentliche Waffe ist, die aber Lachsmeier durch sein unverständliches Geschwafel stumpf gemacht hatte, um uns das klare Wort zu nehmen, um unseren gesunden Menschen- und Verkäuferverstand nach unten zu priorisieren, mir also vorstellte, mit der Waffe zu Lachsmeier ins Büro zu gehen, so schön vorgestellt habe ich es mir, dass ich es ein paar Tage später wahr gemacht habe, in sein Büro gegangen bin, die Metapher auf ihn richtete und ihn bat, zu erklären, wie er das gemeint habe mit der schlechten performance meinerseits und der Zeit, die mich überhole und auch der Angst, die mein Feind sei, und weil ich alles, was Lachsmeier von sich gegeben hatte als eine Frechheit empfand, eine Frechheit gegenüber uns, den Verkäufern, eine Frechheit auch gegenüber unserer Sprache, die einfach und klar und deutlich zu sein hat, war auch mir nach einer Frechheit und so schrie ich, nachdem ich um Auskunft bezüglich meiner Leistungen und Ängste gebeten hatte, aus reiner Frechheit: Und sprechen Sie deutsch!