2018/44

Wer sich selbst verachtet, achtet sich dabei immer noch als Verächter.

Nietzsche

 

 

Religion I:

Das größte Unglück für Frauen war das Aufkommen und die Durchsetzung eines monotheistischen Weltbildes. Natürlich ist das männliche Dominanzstreben in erster Linie evolutionsbedingt, aber es gab immer kulturelle Entwicklungen, die ihm Zügel anlegen konnten. Dort wo viele Götter verehrt wurden, waren immer auch Göttinnen Teil des Himmels, manchmal sogar in der Überzahl und/oder mächtiger als ihre männlichen Gegen- und Mitspieler. Jedenfalls hatte Frauen in einer solchen Gesellschaft eine übermenschliche Figur, auf die sie sich berufen konnten. Das Selbstbewusstsein der Göttin strahlte auf die Anbeterin zurück und konnte ihr helfen, ihren Platz in der Gesellschaft zu behaupten.

Der Monotheismus dagegen, mit seinem einen männlichen Gott, bot solche Bezugspunkte für Frauen nicht mehr. Im Gegenteil, unter seiner steinharten Hand, konnte sich das männliche Dominanzgehabe vollkommen ungestört ausleben und die wildesten Blüten treiben. Je mehr dieses Weltbild sich durchsetzte, desto misogyner wurde es. Gab es in den jüdischen Erzählungen und Mythen doch immer wieder starke Frauen, die zeitweise sogar dem Volk vorstanden, hatte das Christentum außer einer überidealisierten Gottesmutter für Frauen nichts mehr anzubieten. Sie sollten, da war Paulus unmissverständlich, in aller Stille dem Manne unterwürfig und zu Diensten sein. Der Islam schließlich verzichtete gänzlich auf eine weibliche Figur in seiner Ideologie. Kein Wunder, dass die Unterdrückung der Frau in dieser Religion am systematischsten ist.

Obige Gedanken kamen mir, als der Teenager im Haus erzählte, sie solle für den Religionsunterricht einen Essay darüber schreiben, warum die Religion einen evolutionären Vorteil geboten hat und auch dazu beigetragen hätte, die Rolle der Frau zu stärken. Schade, dass man junge Erwachsene in der Schule mit solchem Bullshit behelligt. Gut ist, wenn sie früh gelernt haben, selbst zu denken, sich eine eigene Meinung zu bilden und nicht auf mit Halbwahrheiten gespickte Ideologiewerbung hereinzufallen. Jedenfalls stand in dem Aufsatz des Teenagers nicht das, was der Lehrer gerne lesen wollte.

Eine der Sachen, die schnellsten abgeschafft werden sollten: konfessionsgebundener Religionsunterricht.

 

Religion II:

In Pakistan ist eine Katholikin, die vor sechs Jahren wegen Blasphemie zum Tode verurteilt wurde, nun vom obersten Gericht des Landes freigesprochen worden, weil ihre Schuld nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte. Das hat der islamischen Geistlichkeit natürlich überhaupt nicht gefallen und so hat sie binnen Stunden eine Menge an Protesten organisiert, ja einen nationalen Aufschrei veranstaltet, sodass die Regierung mittlerweile wieder eingeknickt ist und ein Revisionsverfahren angeordnet hat. Man kann davon ausgehen, das Urteil wird gekippt und die arme Frau wird am Ende doch noch ihr Leben lassen müssen, damit eine Horde dummer und wütender Männer Genugtuung erfahren.

Wann immer jemand sagt, man müsse jede Kultur respektieren, denke ich: Nein, das muss ich nicht. Eine Gesellschaft, die Menschen tötet, nur weil diese an etwas anderes glauben, hat keinen Respekt, verdient.

In zwölf Ländern kann man wegen Abfall vom Glauben oder Blasphemie mit dem Tod bestraft werden und in einigen davon wird Atheismus mit Terrorismus gleichgesetzt, auf den ebenfalls die Todesstrafe steht. Alle diese Länder sind islamisch, was aber kein Grund sein sollte, mit dem Finger nur auf die Mullahs und ihre Gefolgschaft zu zeigen, denn hätte die Kirche hierzulande die gleiche Macht, sie würde es genauso machen. Und auch außerhalb des Klerus sehnt sich so mancher nach der guten alten Zeit, wo man den Widerspenstigen, den Kritikern, den Häretikern und Abtrünnigen noch kräftig das freche Maul gestopft hat. So wünschte sich der fromme Wortgirlandendreher Mosebach vor einigen Jahren ein Verbot für Blasphemie. Das Karfreitagstanzverbot für die freie Meinungsäußerung sozusagen.

Blasphemie – das ist ein Verbrechen ohne Opfer. Und Gesetze dagegen zeugen nur von der Ohnmacht des durch eine religiös motivierte Justiz geschützten Gottes. Deswegen stirbt auch jeder Gott mit dem letzten Menschen, der an ihn glaubt. Leider wird man noch lange darauf warten müssen, bis keiner mehr an Allah, Jahwe, Mohamed oder Jesus glaubt und bis dahin werden noch unzählige Menschen ihr Leben lassen, nur weil sie schon einen Schritt weiter sind und der langen Liste von Göttern und Propheten an die niemand mehr glaubt, noch einen hinzugefügt haben.

 

Merkel:

Wer wird NachfolgerIn von Angela Merkel? Und wer hat Friedrich Merz so schnell aus dem Hut gezaubert? Vielleicht ging es ja so wie in der ersten Staffel von House of Cards, in der Frank Underwood jemanden, den niemand auf dem Schirm hatte, als Kandidaten einfach dadurch platzierte, in dem er in einem Zeitungsartikel schreiben ließ, jene Person würde für das fragliche Amt heiß gehandelt. Den Rest erledigte dann ein sich stetig selbst verstärkendes Echo.

Mittlerweile ist durchgesickert, die schwäbische Rollstuhlqueen hätte das mit dem Merz eingefädelt. Von langer Hand sogar. Womöglich ist Schäuble als Bundestagspräsident ein wenig unterfordert. Jedenfalls werden in den Hinterzimmern jetzt die Messer gewetzt und stapelweise offene Rechnungen aus den Schubladen geholt. Merkel, so scheint es, ficht das nicht besonders an. Sie weiß, dass sie kein Erbe hinterlassen wird. Daher ist es ihr auch egal, wer nach ihr kommt. Der- oder diejenige muss sowieso ganz von vorne anfangen. Bei einem „weiter so“ gäbe es bald keine SPD, dann kein Europa und am Ende auch keine CDU mehr. Dass Merkel keine deutsche Patriotin war, ist im Grunde etwas Gutes gewesen. Leider war sie aber auch keine patriotische Europäerin. Wäre sie es gewesen, sie hätte sich davor zurückgehalten die EU durch einen konsequent durchgehaltenen Entsolidarisierungsprozess irreparabel zu schädigen.

Kommt jetzt also der Merz?  Oder doch eher Frau Kramp-Karrenbauer?

Einer hat sich ja noch selbst ins Spiel gebracht: Jens Spahn. Und dabei gleich wieder seine Inkompetenz bescheinigt, als er sagte, das Migrationsproblem sei der weiße Elefant im Raum. Das Problem sei weder gelöst noch die Diskussion darüber beendet. Natürlich ist sie nicht beendet, solange Schwachköpfe wie Spahn ständig darüber reden, als gäbe es keine anderen Probleme. Wissen die Unions- und auch die SPD-Politiker nicht, dass jedes Mal, wenn Sie die Wörter Migration, Flüchtlinge oder Flüchtlingskrise in den Mund nehmen, irgendwo ein AfD-Wähler geboren wird?

Was die Merkel-Nachfolge angeht, weiß ich nicht, was ich hoffen soll. Im Grunde ist es auch egal was die CDU aus sich macht. Deutschland retten kann nur die SPD. Und das heißt: Wir sind verloren.

 

 

Lektüre:

Axel Honneth – Anerkennung (weitergelesen)

Bei Satre ist das Sein des isolierten Objektes ein „Für-sich-sein“. Trifft es auf ein anderes Subjekt, wird aus dem Für-Sich-Sein ein Mit-anderen-Sein, was die Qualität des Seinempfindens entscheidend verändert.

Um darauf zu kommen, muss man sich natürlich nicht durch 800 Seiten „Das Sein und das Nichts“ kämpfen. Es genügt, Menschen zu betrachten, die sich unbeobachtet fühlen und dann plötzlich feststellen, dass sie beobachtet werden. Die heftige Veränderung des Seinemfpindes vom Für-sich zu mit-anderen erzeugt oftmals heftige Empörung bis hin zu starken Aggressionen. Es ist so, als beraube die Anwesenheit eines Anderen uns eines Teiles unseres Seins und propfe uns dafür etwas von seinem Sein auf, das wir fortan in unsere Überlegungen und Handlungen einbeziehen müssen.

Nach Satre waren es dann Althusser und Lacan, die meinten, erst durch die Konfrontation mit dem Anderen käme das Subjekt zu einem adäquaten Empfinden des eigenen Ich. Auch das ist wahrscheinlich richtig, lässt sich im Alltag aber nicht ganz so gut beobachten, weil niemand ganz für sich aufwächst. Die verschiedenen Kaspar-Hauser und Wolfsjungen-Geschichten, die im Laufe der Jahrhunderte kursierten, scheinen allerdings, selbst unter Abzug aller Hinzudichtungen, diese These zu bestätigen.

Fest steht, wer sich die Frage nach seinem wahren Ich stellt, danach, was für eine Art Mensch er wirklich ist, wird nie nur seine eigene Stimme dazu im Kopf haben.