Was viele Menschen derzeit auf die Straße treibt, um an den PEGIDA-Demonstrationen teilzunehmen, ist die Sehnsucht nach ideologischer Aufrüstung. Dem geschlossenen und absoluten Weltbild des Islam haben sie nichts entgegenzusetzen, da die Aufklärung in unserer Gesellschaft ihr Werk nicht vollendet hat. Die Idee einer säkularen, humanistischen Gesellschaft hat in ihnen nie Fuß gefasst. Das Vakuum, das ein zurückgedrängtes Christentum und ein von sich selbst entleibter Sozialismus hinterlassen haben, wurde nie wirklich aufgefüllt. Schwacher Individualismus und fragiler Wohlstand reichten nicht aus, um eine Identität zu stiften, die um ihren Platz in der Welt weiß. Angesichts der gefühlten Bedrohung durch importierte Lebensmodelle, sieht man sich selbst grundlegend in Frage gestellt. Und was macht man, wenn man sich plötzlich von lauter Zombies umzingelt wähnt? Man holt die eigenen Leichen aus dem Keller, haucht ihnen Leben ein und schickt sie in die Schlacht.
Da wackeln sie nun wieder übers Land, die Untoten namens Nationalismus und christliche Leitkultur. Der jahrzehntelange Halbschlaf hat ihnen nicht gut getan. Sie sind hässlicher als je zuvor. Aber wer stellt angesichts des Bösen schon ästhetische Forderungen?
Hört man sich die Interviews mit Teilnehmern der Proteste an, kann man feststellen, dass die Befragten nur in der Lage sind, kurze, parolenhafte Sätze zu formulieren. Hinterfragt man diese, folgt nur noch grammatikloses Gestammel. Aber an differenzierter Betrachtungsweise liegt den Demonstranten sowieso nichts. Sie sind auf der Suche nach einer klaren Antwort. Dem gezückten Schwert des islamistischen Schlächters ist mit Argumenten ja auch nicht zu begegnen. Würde dieser sich darauf beschränken, in fernen Ländern Andersdenkenden die Köpfe abzusägen, könnte man damit ja noch leben. Aber nein, er will ja auch den Weihnachtsmarkt abschaffen und die Menschen hierzulande zwingen, anstatt in die Kirche, in eine Moschee zu gehen.
Und plötzlich bekommen Dinge wieder eine Bedeutung, die man ihnen nach jahrhundertelangem Kampf endlich abgesprochen hatte. Oder die man nach den Erfahrungen der Nazizeit eigentlich überwunden zu haben glaubte.
Das ist, so traurig dies klingen mag, kein Erfolg jener religiösen oder politischen Ideologien, dass sie nun wieder auferstehen, sondern das Versagen der Aufklärung. Sie hat die Gesellschaft nicht wirklich durchdrungen und verändert. Zwar hat sie den intellektuellen Diskurs bestimmt und im Kielwasser eines ständig wachsenden Wohlstandes von der Korrumpierbarkeit des Menschen profitiert. Jetzt aber zeigt sich, wie wenig wirkungsvoll sie in vielen Teilen der Gesellschaft war. Nicht in ihrem Namen stellen die Menschen sich gegen eine menschenfeindliche Ideologie. Nein, sie greifen zu den abgelegten Uniformen gleichermaßen verachtenswerter Weltanschauungen, um sich dem Kampf zu stellen. Dass sich da diejenigen zugesellen, die diese Uniformen nie wirklich abgelegt haben, braucht niemanden zu verwundern.
Ironischerweise ist es gerade die aufgeklärte Sicht auf den Menschen, welche ihn als Produkt eines evolutionären Prozesses versteht, die wenig Grund zur Hoffnung bietet. Gruppendenken und die instinktive Furcht vor allem Fremden sind in ihm so tief verankert, dass es einer langwierigen, sich über Jahrtausende erstreckenden Entwicklung bedarf, diese Engstirnigkeit in ihm aussterben zu lassen. Dergleichen mit seiner Inklination zum Übernatürlichen und Fantastischen, die ihm seit seiner Bewusstwerdung die Angst vor dem Tod erträglich macht.
Wir jedenfalls werden es nicht erleben, dass der Mensch wirklich vernünftig wird. Unser Schicksal ist es, immer wieder zu beobachten, wie die Zombies der einen gegen die Leichen der anderen kämpfen. Und irgendwann stehen wir mittendrin und werden gefressen. Oder sterben vorher.